Lehrmittel "Einfach Informatik" (Sekundarstufe I)

Worum geht es?

Im Klett und Balmer Verlag ist seit April 2018 ein dreibändiges Lehrmittel zur Informatik für die Sekundarstufe I unter dem Titel Einfach Informatik (7-9)

einfachinformatik.jpg

Ein Probekapitel aus dem Band "Programmieren" ist war frei verfügbar.

Damit stellt sich für die Sekundarstufen des Kantons Schwyz die Fragen, inwiefern dieses Lehrmittel sich für den Unterricht im Kanton Schwyz eignet.

Die nachfolgenden Überlegungen beruhen auf den öffentlich verfügbaren Informationen zum Lehrmittel, d.h. Website, Flyer und den drei Bänden für Schülerinnen und Schüler und stellen die persönliche Meinung des Fachberaters Medien und Informatik Sek I dar.

Das Lehrmittel bezieht sich nur auf Informatik, nicht auf Medien

Gemäss Selbstbeschreibung fokussiert das Lehrmittel nur auf Informatikthemen und behandelt die im Medienbereich des Modullehrplans "Medien und Informatik" beschriebenen Medienkompetenzen nicht. Dies hat zwei Konsequenzen:
  • Mit dem Lehrmittel "Einfach Informatik" werden nicht alle Kompetenzen des Modullehrplans "Medien und Informatik" abgedeckt. Medienkompetenzen können nicht mit diesem Lehrmittel vermittelt werden.
  • Mögliche Querverweise zwischen Medien und Informatik werden durch dieses Lehrmittel nicht aufgegriffen. Damit wird die von der PHSZ angestrebte Verknüpfung der veschiedenen Perspektiven gemäss des Dagstuhl-Dreiecks nicht unterstützt.

Das Lehrmittel vermittelt ein sehr mathematisches und trockenes Bild der Informatik

Alle drei Bände zeichnen ein sehr trockenes, fast ausschliesslich mathematisch geprägtes Bild der informatik, das wenig mit der Lebenswelt von Sek-Schülerinnen und -Schülern zu tun hat. Die meisten Aufgaben stammen aus dem Bereich der Geometrie ohne Lebensweltbezug. Bei gewissen Aufgaben scheint der Mathematikanteil höher zu sein als der Informatikanteil:

Schreibe ein Programm, das mit der Turtle zuerst ein gleichseitiges Dreieck mit der Seitenlänge 144 zeichnet. Danach zeichnest du mit der Turtle die Höhe ein. Wie lang muss die Höhe dabei sein?
Quelle: Probekapitel PDF-Dokument, Seite 11

Damit besteht die Gefahr, dass das Bild der Informatik einseitig mathematisch geprägt wird und bestehende Vorurteile gegenüber der Mathematik sich auch auf die Informatik übertragen. Diese Hypothese wird gestützt durch die Ergebnisse der Eingangsbefragungen der Studierenden der PHSZ zu Ihren bisherigen Erfahrungen mit dem Thema Informatik (durchgeführt 2016 und 2017) sowie entsprechende mündliche Gespräche. Es werden oft negative Erstkontakte mit Informatik genannt in der Art: "Ach, wir haben so was langweiliges wie Primzahlenberechnungen gemacht."

Eine zu starke mathematische Ausrichtung der Informatik hat nachweislich einen negativen Einfluss auf das Interesse an Informatik bei jungen Frauen.

Die PHSZ versucht in der Aus- und Weiterbildung möglichst breit gefächerte Beispiele und Aufgaben zu präsentieren, um möglichst viele Studierende bzw. SchülerInnen für Informtik zu begeistern (Gemäss dem "Low floor, wide walls, high ceiling" -Prinzip (Biblionetz:a913).

Das Lehrmittel wurde in mehreren Weiterbildungsverstanstaltungen für Sekundarlehrpersonen im Kanton Schwyz vorgestellt und diskutiert. Die grossse Mehrheit der Lehrpersonen empfand die drei Bände als zu abstrakt, theoretisch und textlastig für ihre Schülerinnen und Schüler.

Das Lehrmittel ist nicht Lehrplan-21-kompatibel im Sinne der ilz

Die Interkantonale Lehrmittelzentrale ilz definiert Lehrplankompatibilität folgendermassen:

Im Zusammenhang mit dem Beitrag der Lehrmittel an die Umsetzung des Lehrplans 21 hat die ilz – in Absprache mit den Verantwortlichen für die Entwicklung des Lehrplans 21 – drei grundlegende Kriterien für die Lehrplankompatibilität festgelegt. Danach müssen lehrplankompatible Lehrmittel
  1. das Fachverständnis des Lehrplans 21 abbilden,
  2. sich am Kompetenzaufbau des Fachbereichslehrplans orientieren und
  3. alle Kompetenzbereiche des betreffenden Faches abdecken.
(Quelle)

In diesem Sinne ist das Lehrmittel "Einfach Informatik" nicht lehrplankompatibel, denn es deckt nicht alle Kompetenzbereiche des Lehrplans "Medien und Informatik" ab (es fehlen alle Medienkompetenzen).

Das Lehrmittel deckt nicht alle Informatik-Kompetenzen ab

Auch wenn das Lehrmittel beworben wird, alle Kompetenzen des Lehrplanteils "Informatik" von "Medien und Informatik" abzudecken, trifft dies nach Einschätzung des Fachberaters Medien und Informatik Sek I des Kantons Schwyz nicht zu.

Kürzel Kompetenzbeschreibung Selbstbeschreibung des Lehrmittels im Lehrerkommentar Einschätzung Fachberater
MI 2.3j Die SuS können lokale Geräte, lokales Netzwerk und das Internet als Speicherorte für private und öffentliche Daten unterscheiden. In Zusammenhang mit der Funktionsweise von Suchmaschinen (S. 75 in D5 «Daten darstellen, verschlüsseln, komprimieren») werden die Speicherorte lokales Gerät bzw. Netzwerk und Internet einander gegenübergestellt und es wird auf die unterschiedlichen Anforderungen dieser Speicherorte eingegangen. Auf der angegeben Seite ist zu diesem Thema nichts zu finden. Das lokale Netzwerk ist in keinem der drei Lehrwerksteile ein Thema.
MI 2.3k Die SuS haben eine Vorstellung von den Leistungseinheiten informationsverarbeitender Systeme und können deren Relevanz für konkrete Anwendungen einschätzen (z.B. Speicherkapazität, Bildauflösung, Rechenkapazität, Datenübertragungsrate). Im «Einblick in die Computer-Technologie» in «Programmieren» (S. 7) gehen wir auf die Darstellung von Bildern auf dem Bildschirm ein. Die S verstehen das Prinzip der Bilddarstellung mithilfe von Pixeln und somit auch, was hinter dem Begriff der Bildauflösung steckt. Der Lehrplan spricht von Leistungseinheiten im Plural. Im Lehrmittel wird nur gerade am Rande die Bildauflösung in einem Abschnitt erwähnt. In allen drei Bänden wird jedoch z.B. nie auf Speicherkapazität (Megabyte, Gigabyte etc.) oder Datenübertragungskapazität eingegangen.

Das Lehrmittel verwendet nicht die vom Kanton empfohlene Programmiersprache

Der Band Programmieren des Lehrmittels verwendet beim Thema Programmieren die Programmiersprache Python und nicht die vom Kanton empfohlene Programmiersprache Scratch.

Die Programmiersprache Scratch ist nur eine Empfehlung des Kantons und keine Vorgabe. Interessierte Lehrpersonen können problemlos andere Programmierumgebungen zur Vermittlung der Lehrplankompetenzen verwenden.

Aus Sicht des kantonalen Fachberaters M+I Sek I sind mit der Wahl von Python folgende Nachteile verbunden:
  • Bei textbasierten Programmiersprachen stellen Syntaxfehler eine erste Einstiegshürde dar, die blockbasierte Sprachen verhindern (Biblionetz:a1273).
  • Erste Studienergebnisse legen nahe, dass der Einstieg ins Programmieren mit blockbasierten Sprachen leichter fällt als mit textbasierten Sprachen (Biblionetz:a1274).

Abschliessende Beurteilung

Aktuell rät der Fachberater Medien und Informatik Sek I des Kantons Schwyz von den drei Bänden aus folgenden Gründen ab:

  • Sehr trockene Darstellungsweise, wenig Motivation
  • Hohes Abstraktionsniveau, für gewisse Sek-Stufen vermutlich zu abstrakt
  • Keinerlei Verknüpfung zu Medien und/oder Anwendung
  • Praktisch kein echter Bezug zur Lebenswelt von SekundarschülerInnen
  • Die Beispiele stammen praktisch alle aus dem mathematischen Bereich
  • Keinerlei Bezüge zu anderen Fächern
  • Keinerlei weiterführende Ideen für Schülerinnen und Schüler
  • Band Programmieren: Verwendet nicht die vom Kanton empfohlene Programmiersprache

Die einzelnen Bände in Beats Biblionetz

Lehrmittel b06425 b06426 b06565
Begleitband b06819 b06822 b06820

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